Mittwoch, 22. Mai 2013

Konzerte: THE QUEERS | 19.05.2013 | Privatshow, Oberhausen

Ich hab echt überlegt ob ich im Rahmen von Minus Rockcity Meppen über THE QUEERS schreiben soll. Man kann ja fast davon ausgehen, dass die hier vom jungen Gemüse eh kaum einer kennt, da der musikalische Horizont in Punkrockfragen bei vielen Emsländern heutzutage ja leider allzuoft bei mittelmäßigem Melodycore aufzuhören scheint (Oha, diese Aussage wird womöglich wieder böse Anfeindungen nach sich ziehen, but we don't care, hehe... - Anm. d. Red.)... Andererseits hatten THE QUEERS mit ihrem Sound einen nicht unerheblichen Einfluss auf die nicht eben unerfolgreiche emsländische Endneunziger-Punkrockszene - und im Grunde genommen ist das hier natürlich auch eine Geschichte darüber, wie Musik verbinden kann und sogar Jugendträume in Erfüllung gehen lässt, wenn man nur lange genug am Ball bleibt, Kontakte pflegt und sich das Feuer über die Jahre bewahrt...

Boah, was ein pathetischer Scheiß da am Ende des letzten Absatzes. Also mal eben schnell den Schmalz aufwischen und die Fakten darlegen: THE QUEERS sind eine Band die es schon ewig gibt (gegründet Anfang der 80er), die mit ihren ersten ruppigen HC/Punksongs schon auf einem der semi-legendären "Killed By Death" Sampler (auf #3, um genau zu sein) vertreten war und später mit Alben wie "Don't Back Down" die Blaupause für klassischen Poppunk schufen. Also nicht diesen Schrott den man heutzutage unter dem Label Poppunk verkauft, sondern die zuckersüße Mischung aus bratzenden RAMONES-Gitarren, BEACH BOYS-Harmonien und einem dicken Batzen Bubblegum/Powerpop-Eingängigkeit. Damit lieferten sie auch die direkte Soundvorlage für die aufkommende Spätneunziger-Poppunkwelle, wo in Deutschland neben Solingen relativ bald - man mag es kaum glauben - das Emsland auf der Musiklandkarte relevant wurde. Emsländische Kapellen wie die BACKWOOD CREATURES, FAVORATS oder BATTLEDYKES adaptierten den Sound und drückten ihren eigenen Stempel drauf. Und wurden dabei teilweise so gut, dass auch diverse Platten, Touren und weitere Eskapaden folgten. Aber das hab ich hier ja schon anderswo breitgetreten, Kenner wissen Bescheid...

Schildermania auf dem Weg zur Show: Eindeutige Schilder in Bawinkel! Der Typ bei dem das auf der Hofeinfahrt hängt hat früher übrigens selber fleißig geklaut - mit seiner Band bei den QUEERS! ;)
Ich war damals jedenfalls mittendrin und gehörte ebenfalls zu den kultischen Verehrern der QUEERS, SCREECHING WEASEL oder auch GROOVIE GHOULIES. Das interessante an allen genannten Bands ist übrigens, dass jede Combo so etwas wie ein Mastermind hatte: Bei SCREECHING WEASEL war das Ben Weasel, bei den GROOVIE GHOULIES war das Kepi und bei den QUEERS eben Joe Queer. Jeder für sich ein Original, wobei Joe Queer in etwa so die menschliche Variante der "Grumpy Cat" ist, der wirkt immer etwas knötterig und im Gegensatz zu anderen (z. B. Kepi) kam und kommt man mit dem auch nach Konzerten kaum ins Gespräch. Was aber auch daran liegen mag, dass der Mann ziemlicher Profi ist und es ihm in erste Linie darum geht eine funktionierende Show zu spielen. An Aftershowparty hat der alleine schon kein Interesse weil er trockener Alki ist, da wussten die BACKWOOD CREATURES schon Geschichten von zu erzählen, nachdem sie im Kölner Underground vor Jahren den ersten Supportgig für die QUEERS gespielt hatten. Da hat Joe Q. seiner Backingband nach dem Auftritt offiziell Ausgang erteilt, damit die mit den Emsländern saufen durften, hehe... Trotzdem kann nicht jeder singen "I knew GG when he was a wimp!" Joe Queer kann das!

Nach einem ziemlich heftigen Aufflammen ging es mit Poppunk in der weltweiten Beliebtheit Anfang der 2000er jedenfalls ziemlich bergab. Irgendwo auch verständlich, da der Sound nun mal von Natur aus ziemlich simpel und Dreiakkord-basiert ist und wirklich zu viele Bands die Szene überschwemmten, die einfach nur Mittelmaß boten. Aber seine Lieblinge bewahrt man sich natürlich und so pilgerten wir eigentlich jedes Jahr zu den Konzerten, wenn THE QUEERS oder andere Konsorten mal wieder im Lande waren. Insbesondere bei den QUEERS war das aber nun schon eine ganze Weile her, ich komme da irgendwie auf 7 Jahre Abstinenz vom europäischen Kontinent. Im letzten Jahr wurde eine Europatour kurzfristig gecancelt, die Enttäuschung war groß. In diesem Jahr standen dann aber ein paar Daten an, allerdings nicht mal eine Handvoll Deutschlandgigs und dann auch noch als Festivalslot beim "Ruhrpott Rodeo" ... ich muss mal sagen: Festivals mögen ganz brauchbar sein wenn man auf Saufen, anonymen Zeltsex und anderen unwichtigen Kram steht. Wenn man aber ernsthaft Bock auf Musik hat sind Festivals in 90% der Fälle scheiße: Zu kurze Sets, zu große Bühnen, Auftritt bei Tageslicht, um einen rum hunderte Vollhonks die keine Ahnung von Musik haben - ehrlich, ich hasse Festivals! Die meisten jedenfalls!

Schildermania part II: Auch auf Nimrodland gibt's klare Ansagen!
Die Vorzeichen sahen also gar nicht so rosig aus. Aber wenn ich geschrieben hab: "... seine Lieblinge bewahrt man sich natürlich", dann gilt das natürlich nicht nur für Emsländer. Insbesondere in Oberhausen gibt es eine Kolonie beinharter Poppunk-Fanatiker, die dem Sound über Jahre die Stange gehalten haben, bzw. das Ganze auch selbst mit Bands wie den NIMRODS, THE BREWERS oder THE RICHIES fabrizier(t)en. Mit einigen von den Leuten hab ich aufgrund ähnlich gelagerter Musikverstrahlung seit Jahren mehr oder weniger viel zu tun. Unter anderem kannte ich auch die Geschichten vom sagenumwobenen "Nimrodland", einem mysteriösen Grundstück im Stile von "Graceland", wo aber nicht (nur) Elvis gehuldigt wird, sondern vor allen Dingen auch dem Punkrock! Hier hatte Kepi von den GROOVIE GHOULIES schon Privatshows gespielt und so ein paar mal im Jahr wird hier generell immer gerne mal ein Fass aufgemacht und nackte Punker fliegen besoffen von Rodeo-Bullen und allsowas... Ich selbst war aber noch nie dort, ehrenwerte geschlossene Gesellschaft, tja...

Nun denn, das "Ruhrpott Rodeo" hatten meine Dame (ebenfalls QUEERS-addicted) und ich schon gecancelt, als plötzlich Donnerstags mein Handy rappelte. Oberhausen am Apparat: "Ey, die QUEERS spielen auf dem Ruhrpottrodeo und haben gefragt ob wir für die noch eine Show im Ruhrpott klar machen können. Läuft wahrscheinlich auf eine Privatshow auf Nimrodland am Sonntag raus. Kommt rum!"

Okay, nachdem ich jetzt absätzeweise geschrieben hab, warum THE QUEERS so toll sind, kann man sich vielleicht vorstellen, dass mir in dem Moment vor Freude fast ein Ei aus der Hose gefallen ist! THE QUEERS auf einer Privatshow, eingepfercht mit 40-50 Bekloppten, die ähnlich geisteskrank steil auf die Band gehen wie ich! Hammer! So eine Chance gibt's nie wieder! Die Showbestätigung kam kurz danach und wir hatten dann recht schnell eine Emslandkarre voll, u. a. mit der halben Besetzung der ehemaligen FAVORATS. Eigentlich war auch noch eine zweite Reisegruppe geplant, die der einzigartigen Chance aber dann wohl lieber freundlich zuwinkte, als sie langsam vorüberzog... Bedauerlich!

Wir wären dann auch noch fast zu spät gekommen, weil man ja jetzt im Alter für Nachwuchs ist (ich bin da zum Glück noch nicht mit gesegnet) und es diverse Probleme gab so einige Nachkömmlinge ruhig zu stellen und ins Bett zu verfrachten. Ich saß also wie auf heißen Kohlen als es dauerte und dauerte, aber glücklicherweise konnte der Rockahulababykiller früher nicht nur gut bei den FAVORATS Bass spielen sondern heute auch noch ziemlich auf die Tube drücken, wenn's nötig ist. Wir schlugen also pünktlich im Nimrodland auf (wo übrigens Schützenfest zu sein schien), wurden von den Einheimischen freundlichst begrüßt, bekamen noch den Pool ("Ihr könnt gerne reinspringen, der hat momentan aber nur 12°C...") und die Tiki-Bar gezeigt, als auch schon Krach aus der Garage kam und THE QUEERS leibhaftig loslegten.


Tja, was soll ich sagen... Da steh ich da, Joe Queer - Held meiner Jugend - direkt vor mir, in Spuckdistanz in einer Oberhausener Garage, flankiert von allerlei Gartengeräten und haut einen Hit nach dem anderen raus! Aussehen tat der immer noch wie vor 15 Jahren, als ich ihn das erste Mal mit THE QUEERS live gesehen hab. Unglaublich! Mittlerweile müsste der so Mitte 50 sein, ich glaube zwischen den Touren lässt der sich einfach in Karbonit einfrieren, oder so. Auch andere gestandene Männer Mitte 30 standen in dieser Garage und freuten sich wie Zwölfjährige. Da sage noch einer Punkrock würde nicht jung halten... Aber es waren auch jüngere Leute da, gelegentlich wurde nämlich auch irritierter Nachwuchs vor die Bühne geschubst, der nicht älter als 10 Lenze war. Generationenübergreifendes Durcheinander! THE QUEERS brannten derweil ein Hitfeuerwerk ohne Ende ab. Vor jedem Song nuschelte Herr Queer meist sowas wie "Well, what song we wanna play? Oh, we haven't played that one for yeeeeeaaaaars ... or wait, we never play that one live ... well, let's try it!" ins Mikro und dann wurde einfach wieder einer rausgewuppt. Total roh und punkig, aber teilweise echt die Kracher die man seit Jahren nicht mehr von der Band auf der Bühne gehört hat. Nach meinem Empfinden die komplette "Grow Up" LP, dazu dann noch ein paar der Oberschnulzen vom "Don't back down" Album ("Tonite we play our gay set, just for you!") und jede Menge anderer Kracher.


Bei THE QUEERS ist es natürlich so, dass Joe Queer quasi THE QUEERS ist. Er wechselt immer nur seine Mitmusikanten. In dem Fall war Dangerous Dave (THE BUGS bzw. früher bei JON COUGAR CONCENTRATION CAMP) am Bass und ein mir unbekannter Schlagzeuger, der auch noch relativ jung war und mit dem die Band diese Klassiker definitiv nicht geprobt hatte. Er machte also diverse Male große Augen und dicke Backen und das ein oder andere Fragezeichen stand im Raum, aber da wurden dann einfach kurze Befehle wie "Just drum it like that other song, only faster..." gegeben, oder generell Ansagen wie "Too fast" oder "Too slow" und dann hat der Junge sich da einfach einen zurechtgetrommelt. Höchstamüsant! Ohnehin gehörten Bühnen-Nettigkeiten wie "faggot", "stupid cunt" etc. natürlich zum guten Ton und Joe Q. betonte auch noch mal was er vom nachmittäglichen Auftritt beim Ruhrpott Rodeo hielt, nämlich nicht viel, hehe... "The kids just don't get it when we're playin' and there is nothing gayer than German Psychobilly hairdos..."


Irgendwie hielt die Band auch gar nicht an. In der Zugabe schien Joe nach jedem Song direkt ein neues Lied einzufallen was man ja noch spielen könnte. Und das wurde dann auch direkt angespielt und durchgeprügelt, inklusive der schon erwähnten Minimalanweisungen an den Drummer. Ich glaube insgesamt haben THE QUEERS über anderthalb Stunden gespielt (wo bei einer durchschnittlichen Songlänge von knapp unter 2 Minuten eine ganze Menge Lieder zusammenkamen) und tatsächlich erst aufgehört, als Joe Queer kein Lied mehr einfiel. Grandios! Okay, "This place sucks" haben sie nicht gespielt, aber auch nur, weil der Song zwar geil ist, dem Anlass entsprechend aber nicht würdig für Nimrodland gewesen wäre. Denn die QUEERS fühlten sich hier sichtlich wohl. Die gesamte Garage war voller geplätteter Leute und einigen hätte man das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht schlagen können, mir inklusive. Und nachher laufen die Helden deiner Jugend da noch rum, du kannst mit denen quatschen etc... Das sind wirklich die Abende die das Leben lebenswert machen, ganz ehrlich!


Ansonsten gibt's auch gar nicht mehr viel zu erzählen. Hammerkonzert, Hammerabend, Punkt, Aus! Manchmal ist es so einfach. Wie's aussieht hab ich an dem Abend aber noch eine Band für meine verspätete Hochzeitsfeier klar gemacht und das ist geil, auch wenn's nicht THE QUEERS sind... Eine mehr oder weniger ernstzunehmende FAVORATS-Reunion wurde auch noch angeschnitten, mal gucken was man da erwarten darf (ich schätze Mord- und Totschlag im Proberaum, wenn sich tatsächlich mal wieder alle treffen sollten)... Und unsere Planungen auf dem Rückweg ins Emsland noch eben beim schon erwähnten Schützenfest König zu schießen klappten irgendwie auch nicht. Nicht mal 'ne Currywurst haben wir bekommen, Schweinerei! Aber egal, fuck the world, THE QUEERS waren da und haben alles weggerockt. Nimrodland, we'll be back!

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